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Akt III, Szene II
Eine andere Gegend auf der Heide.
  Fortdauernd Ungewitter. Es treten auf Lear und der Narr.
 
Lear: Blast, Winde, sprengt die Backen! Wütet! Blast!
Ihr Katarakt' und Wolkenbrüche, speit,
Bis ihr die Türm' ersäuft und Wetterhähn' ertränkt!
Ihr schweflichten, gedankenschnellen Blitze,
Vortrab dem Donnerkeil, der Eichen spaltet,
Versengt mein weißes Haupt! Du Donner, schmetternd,
Schlag flach das mächt'ge Rund der Welt; zerbrich
Die Formen der Natur, vernicht auf eins
Den Schöpfungskeim des undankbaren Menschen!
Narr: Ach, Gevatter, Hofweihwasser in einem trockenen Hause ist besser als Regenwasser hier draußen. Lieber Gevatter, hinein und bitt um deiner Töchter Segen; das ist 'ne Nacht, die sich weder des Weisen noch des Toren erbarmt.
Lear: Brüll nach Herzenslust! Spei Feuer, flute Regen!
Nicht Regen, Wind, Blitz, Donner sind meine Töchter;
Euch schelt ich grausam nicht, ihr Elemente;
Euch gab ich die Kronen nicht, nannt' euch nicht Kinder,
Euch bindet kein Gehorsam; darum kühlt
Die grause Lust. Hier stehe ich, euer Sklav',
Ein alter Mann, arm, elend, siech, verachtet -
Und dennoch knecht'sche Helfer nenn ich euch,
Die ihr im Bund mit zwei verruchten Töchtern
Türmt eure hohen Schlachtreihn auf ein Haupt
So alt und weiß wie dies. Oh, oh, 's ist schändlich!
Narr: Wer ein Haus hat, seinen Kopf hineinzustecken, der hat einen guten Kopfplatz.
      Wenn Hosenlatz will hausen,
      Eh' Kopf ein Dach geschafft,
      Wird Kopf und Latz verlausen,
      Solch Frein ist bettelhaft.
      Und willst du deinen Zeh,
      Du Tropf, zum Herzen machen,
      Schreist übern Leichdorn weh,
      Statt schlafen wirst du wachen.
- denn noch nie gab's ein hübsches Kind, das nicht Gesichter vorm Spiegel schnitt.
  Kent tritt auf.
Lear: Nein! Ich will sein ein Muster aller Langmut,
Ich will nichts sagen.
Kent: Wer da?
Narr: Nun, hier ist Gnade und ein Hosenlatz; das heißt: ein Weiser und ein Narr.
Kent: Ach, seid Ihr hier, Mylord? Was sonst die Nacht liebt,
Liebt solche Nacht doch nicht. Des Himmels Zorn
Scheucht selbst die Wanderer der Finsternis
In ihre Höhlen. Seit ich Mensch bin,
Erlebt' ich nimmer solchen Feuerguß,
Solch Krachen grausen Donners, solch Geheul
Des brüll'nden Regensturms. Kein menschlich Wesen
Erträgt solch Leid und Graun.
Lear: Jetzt, große Götter,
Die ihr so wild auf unsre Häupter wettert,
Sucht eure Feinde auf. Zittre, du Frevler,
Auf dem verborgne Untat ruht, vom Richter
Noch ungestraft! Versteck dich, blut'ge Hand,
Meineid'ger Schalk, und du, o Tugendheuchler,
Der in Blutschande lebt! Zerscheitre, Sünder,
Der unterm Mantel frommer Ehrbarkeit
Mord stiftete! Ihr tiefverschloßnen Greuel,
Sprengt den verhüll'nden Zwinger, fleht um Gnade
Die grausen Mahner. - Ich bin ein Mann, an dem
Man mehr gesündigt, als er sündigte.
Kent: O Gott, mit bloßem Haupt! -
Mein gnäd'ger Herr, nahbei ist eine Hütte,
Die bietet etwas Schutz doch vor dem Sturm.
Ruht dort, indes in dies harte Haus -
Weit härter als der Stein, aus dem' erbaut,
Das eben jetzt, als ich nach Euch gefragt,
Mir schloß die Tür - zurückgeh und ertrotze
Ihr karges Mitleid.
Lear: Mein Hirn beginnt zu schwindeln.
Wie geht's, mein Junge? Komm, mein Junge! Friert dich?
Mich selber friert. Wo ist die Streu, Kamrad?
Die Kunst der Not ist wundersam; sie macht
Selbst Schlechtes köstlich. Nun zu deiner Hütte -
Du armer Schelm und Narr, mir blieb ein Stückchen
Vom Herzen noch, und das bedauert dich.
Narr:       Wem der Witz nur schwach bestellt,
      Hop heisa bei Regen und Wind,
      Der füge sich still in den Lauf der Welt,
      Denn der Regen, der regnet jeglichen Tag.
Lear: Wahr, lieber Junge. - Kommt, zeigt uns die Hütte!
  Geht ab.
Narr: Das ist 'ne hübsche Nacht, um eine Buhlerin abzukühlen. Ich will eine Prophezeiung sprechen, eh' ich gehe:
      Wenn Priester Worte, nicht Werke häufen,
      Wenn Brauer in Wasser ihr Malz ersäufen,
      Wenn der Schneider den Junker Lehrer nennt,
      Kein Ketzer mehr, nur der Buhler brennt,
      Wenn Richter ohne Falsch und Tadel,
      Wenn ohne Schulden Hof und Adel,
      Wenn Lästrung nicht auf Zugen wohnt,
      Der Gauner des Nächsten Beutel schont,
      Wenn die Wuchrer ihr Gold im Felde beschaun
      Und Huren und Kuppler Kirchen baun,
      Dann kommt das Reich von Albion
      In große Verwirrung und Konfusion,
      Dann kommt die Zeit, wer lebt, wird's sehn,
      Daß man die Füße hat zum Gehn.
Diese Prophezeiung wird Merlin machen, denn ich lebe vor seiner Zeit.
  Ab.

 
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