H A M L E T | Inhalt | Personenübersicht | Akt II, Szene I |
Akt I, Szene V |
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Ein etwas abgelegener Teil der Terasse. | |
Der Geist und Hamlet treten auf. |
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Hamlet: | Wohin willst Du mich führen? Sprich, ich geh' nicht weiter. |
Geist: | Höre mich! |
Hamlet: | Ich will. |
Geist: | Meine Stunde ist bald gekommen, wo ich den quälenden Schwefelflammen mich wieder übergeben muß. |
Hamlet: | Weh, armer Geist. |
Geist: | Bedaure mich nicht, doch leihe dem ein ernst Gehör, was ich Dir anvertrauen will. |
Hamlet: | Sprich, ich bin zu hören verpflichtet. |
Geist: | Und mich zu rächen, wenn Du mich gehört. |
Hamlet: | Was? |
Geist: | Ich bin Deines Vaters Geist; Verurteilt, nachts, auf Zeiten umzugehn, Und tags, gebannt in Flammen zuzubringen, Bis die Verbrechen meines Erdenlebens Verbrannt sind und getilgt. Mir ist verboten Zu brechen das Geheimnis meiner Haft, Sonst spräch' ich Dinge, deren kleinstes Wort Dein Herz zerriß, Dein junges Blut erstarrte, Dein Augenpaar gleich irren Sternen machte Und Deine festgeknüpften Locken teilte, Daß jedes einzle Haar empor sich sträubte, Gleich Borsten auf dem zorn'gen Stachelschwein. Doch diese ew'ge Kunde darf nicht hören Ein Ohr von Fleisch und Blut. Horch, horch, o horch! - Wenn je Du Deinen teuren Vater liebtest, - |
Hamlet: | O Himmel! |
Geist: | So räche seinen schandbar schnöden Mord. |
Hamlet: | Mord? |
Geist: | Ja, schnöden Mord, wie Mord es immer ist, Doch dieser ist vor allen unnatürlich. |
Hamlet: | O, spreche schnell, daß ich auf Flügeln rasch, Wie Geistesblitz, wie liebende Gedanken Zur Rache eilen mag. |
Geist: | Du bist bereit: Und stumpfer wärst Du als das feiste Kraut, Das ruhig an der Lethe Strand verfault, Erwachte nicht Dein Zorn. Jetzt, Hamlet, höre: Es ward erzählt, daß als im Gras ich schlief, Mich eine Schlange stach; so ward es in ganz Dän'marks Ohr Durch den erlognen Vorgang meines Todes Schändlich getäuscht; doch, edler Jüngling, wisse, Die deines Vaters Leben stach, die Schlange, Trägt seine Krone jetzt. |
Hamlet: | O, mein prophetisch Herz, mein Oheim! |
Geist: | Ja, der Blutschänder, Ehebrecher, Unmensch, Mit Witzes Zauberkraft, Verrätergraben - Gottlos der Witz, die Gaben, deren Macht Verführet, so gewann er seinen Lüsten Den Willen meines scheinbar edlen Weibes: O, Hamlet, welch tiefer Fall das war! Von mir, des Liebe solche Würde trug, Daß Hand in Hand sie ging, mit jenen Schwüren, Die ich zur Hochzeit tat -- sich hinzugeben Dem Bösewicht, der arm an Gaben war, Verglichen mir. Doch wie die Tugend nimmer wanken wird, Wenn selbst im Himmelskleid das Laster lockt, So die Begierd' - an seines Engels Seite, Im Himmelbette selbst noch wird sie streben Nach Sättigung im Schmutz. Genug, mich dünkt, ich wittre Morgenluft; Kurz laß mich sein: Als ich im Grase schlief, - Wie das nachmittags mir Gewohnheit war - In jener sichern Stunde schlich Dein Onkel Mit einem Fläschchen gift'gen Bilsensafts Zu mir heran und goß in meine Ohren Das scheußliche Gebräu, dessen Wirkung In solcher Feindschaft steht zum Blut des Menschen, Daß es quecksilberschnell durchläuft die Gänge, Die angebornen Wege unsres Körpers Und solcher Kraft ist, daß sogleich gerinnt, Wie wenn man saure Tropfen setzt zur Milch, Das dünne, frische Blut: Das tat es mir, Und augenblicks bedeckten ringsum Flechten, Wie einem Lazarus mit ekler Kruste, Mir meinem glatten Leib. So ward mir, schlafend, durch des Bruders Hand Auf einmal Leben, Kron und Weib geraubt; Ward ich getötet in der Sünden Blüte, Ohn' Abendmahl und ohne Vorbereitung, Ohn' Abschluß hingesandt zur Rechenschaft, Mit allen meinen Sünden auf dem Haupt, Entsetzlich, o entsetzlich, grauenhaft! - Lebt die Natur in Dir, ertrag es nicht, Laß Dän'marks königliches Bett kein Lager Der Wollust und verdammter Blutschand' sein! Doch wie Du handeln, was vollführen magst, Rein bleib Dein Herz, laß nichts es unternehmen Gen Deine Mutter; überlaß dem Himmel Und jenen Stacheln, die im Busen wohnen, Zu quälen und zu stechen sie. Leb wohl! Der Glühwurm kündet schon des Morgens Nähe, Dieweil sein unwirksames Feuer bleicht! Leb wohl, leb wohl, leb wohl! Gedenke mein. |
Geist ab. | |
Hamlet: | Ihr Himmelscharen all! Erd', und was noch? Nenn' ich die Hölle gar? - Pfui - halt, mein Herz; Und ihr, ihr Nerven, altert nicht sogleich, Nein, tragt mich fest und aufrecht! - Dein gedenken? Ja, armer Geist, so lang Erinnrung lebt In diesem wirren Kopfe. - Dein gedenken? Ja, von der Tafel der Erinnerung Sei aller nicht'ger Inhalt fortgewischt, Wie Bücherweisheit, Bilder, frühre Leiden, Was Jugend und Betrachtung drauf verzeichnet, Und Dein Befehl, er soll allein hinfort Noch in dem Buche meines Hirnes leben, Befreit von niedrem Stoffe; ja, beim Himmel. O, ganz verderbtes Weib! O, Schurke, lächelnder, verdammter Schurke! Schreibtafel her - es ziemt sich aufzuschreiben, Daß einer lächeln kann und schurkisch sein, In Dän'mark, weiß ich, ist es sicher so. |
(Schreibend.) | |
Da bist Du, Ohm. Und nun zu meiner Losung, Sie heißt: Leb wohl, leb wohl, gedenke mein. Ich hab's geschworen. |
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Horatio: | (hinter der Bühne) Mein Prinz, mein Prinz - |
Marcellus: | (hinter der Bühne) Prinz Hamlet - |
Horatio: | (hinter der Bühne) Der Himmel hilf ihm. |
Hamlet: | So sei es. |
Marcellus: | (hinter der Bühne) Holla, ho ho, mein Prinz! |
Hamlet: | Holla, ho, mein Junge komm, Vogel komm! |
Horatio und Marcellus treten auf. | |
Marcellus: | Wie steht es, mein Prinz? |
Horatio: | Was Neues, mein Prinz? |
Hamlet: | O, wunderbar! |
Horatio: | Wohlan, mein Prinz, erzählt. |
Hamlet: | Nein, Ihr werdet es verraten. |
Horatio: | Nicht ich, mein Prinz, beim Himmel. |
Marcellus: | Noch ich, mein Prinz. |
Hamlet: | Was sagt Ihr denn; welch menschlich Herz konnte daran denken? Doch Ihr wollt verschwiegen sein? |
Horatio, Marcellus: |
Beim Himmel, ja, mein Prinz. |
Hamlet: | Kein Schurke lebt im ganzen Dänemark, Der nicht ein Erzschelm wäre. |
Horatio: | Es braucht kein Geist dem Grabe zu entsteigen, uns das zu sagen. |
Hamlet: | Recht! Ihr habt ganz recht, Und ohe weitren Umstand wär' es gut, Wir schüttelten die Hände uns und schieden. Ihr geht Geschäften nach und Euren Wünschen, So wie sie sind - ich für meinen eigen Teil, Seht ihr, ich werde beten gehn. |
Horatio: | Das, Prinz, sind wilde und verwirrte Worte. |
Hamlet: | Es tut mir herzlich leid, Euch zu beleidigen, ja, wahrhaftig herzlich. |
Horatio: | Es war keine Beleidigung, mein Prinz. |
Hamlet: | Ja, bei St. Patrick, Kränkung war es doch Und schwer dazu. Betreffend die Erscheinung Ist sie ein hehrer Geist, so viel vernehmt, Denn Euren Wunsch - was zwischen uns - zu wissen, Bemeistert wie Ihr könnt. Nun teure Freunde, Die Ihr mit Freund, Kumpan und Kamrad seid, Gewährt mir eine kleine Bitte. |
Horatio: | Sie heißt, mein Prinz? Wir wollen! |
Hamlet: | Erzählt nie, was Ihr die Nacht gesehn. |
Horatio, Marcellus: |
Wir werden nicht. |
Hamlet: | Gut, aber schwört. |
Horatio: | Wahrhaftig, Prinz, ich nicht. |
Marcellus: | Noch ich, bei Gott, mein Prinz. |
Hamlet: | Auf mein Schwert. |
Marcellus: | Wir haben schon geschworen, Prinz. |
Hamlet: | Voll Wahrheit, auf mein Schwert, voll Wahrheit. |
Geist: | (unter der Erde) Schwört! |
Hamlet: | Haha - Junge, sprichst Du so? Bist Du da, richtiger Pfennig; kommt heran - Ihr hört diesen Burschen im Keller - bereit zu schwören. |
Horatio: | Sagt den Eid, mein Prinz. |
Hamlet: | Zu sprechen nie von dem, was Ihr gesehn, Schwört auf mein Schwert. |
Geist: | (unter der Erde) Schwört! |
Hamlet: | Hic et ubique; laßt den Ort uns wechseln, Kommt, Gentleman, hierher. Legt Eure Hände wieder auf mein Schwert, Schwört auf mein Schwert Zu sprechen nie von dem, was Ihr gehört. |
Geist: | (unter der Erde) Schwört auf sein Schwert! |
Hamlet: | Wohl gesprochen, alter Maulwurf! Kannst Du so schnell die Erde durchwühlen? Ein tücht'ger Pionier! - Noch einmal, Freunde, weiter fort! - |
Horatio: | O Tag und Nacht, dies Wunder ist doch seltsam. |
Hamlet: | Und weil es seltsam ist, heiß es willkommen. Es gibt noch mehr im Himmel und auf Erden, Als Ihr in Eurer Weisheit je geträunt. Doch kommt. Hier, wie vorher, so Gottes Gnad' Euch helfe, Schwört - wie ich seltsam auch erscheinen mag, Da später ich's vielleicht für passend halte, Ein lächerliches Wesen anzunehmen, Daß Ihr, mich so erblickend, nimmer werdet Durch Armverschränken oder Kopfschütteln, Auch nicht durch Sprechen zweifelhafter Worte, Als wie: wir wissen wohl; wir könnten, wenn wir wollten; wenn's uns zu sprechen nur beliebte; oder: da sind sie schon, wenn sie nur möchten. Noch durch zweideut'ge Reden, je bezeugen: Ihr wißt etwas von mir. Ja, dies beschwört, So Gottes Gnad' in höchster Not Euch helfe. |
Geist: | (unter der Erde) Schwört! |
Hamlet: | Still, still, gequälter Geist! Euch Gentlemen, Empfehl' ich mich mit aller meiner Liebe, Und was der arme Hamlet irgend kann, Um Liebe Euch und Freundschaft auszudrücken, Es wird nicht fehlen. Laßt uns gehn mitsammen, Für jetzt die Finger, bitt ich, an die Lippen, Die Zeit ist aus den Fugen. O Verdruß, Daß ich geboren ward und nun sie heilen muß. Kommt, laßt uns gehn mitsammen. |
Ab. |
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