K Ö N I G L E A R | Inhalt | Personenübersicht | Akt IV, Szene II |
Akt IV, Szene I |
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Freies Feld. | |
Edgar tritt auf. |
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Edgar: | Doch besser so und sich verachtet wissen, Als sets verachtet und geschmeichelt sein. Ist man ganz elend, Das niedrigste, vom Glück geschmähteste Wesen, Lebt man in Hoffnung noch und nicht in Furcht. Beweinenswerter Wechsel trifft nur Bestes. Das Schlimmst kehrt zum Lachen. Drum willkommen, Du wesenlose Luft, die ich umfasse, Der Ärmste, den du warfst ins tiefste Elend, Fragt nichs nach deinen Stürmen. - Doch wer kommt hier? |
Gloster, von einem alten Mann geführt. | |
Mein Vater, bettlergleich, geführt? Welt, Welt, o Welt! Lehrt' uns dein seltsam Wechseln dich nicht hassen, Das Leben beugte nimmer sich dem Alter. |
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Alter Mann: | O lieber, gnäd'ger Herr, ich war Euer Pächter, Und Eures Vaters Pächter an die achtzig Jahre. |
Gloster: | Geh deines Wegs, verlaß mich, guter Alter. Dein Beistand kann mir doch nicht nützlich sein; Dir möcht' er schaden. |
Alter Mann: | Ach, Herr, Ihr könnt ja Euren Weg nicht sehen. |
Gloster: | Ich habe keinen, brauch drum keine Augen; Ich strauchelt', als ich sah. Oft zeigt es sich, Besitz macht übersicher, die Entbehrung Gedeiht zur Hilfe. O mein Sohn! mein Edgar, Den des betrognen Vaters Zorn vernichtet, Erlebt' ich noch, umarmend dich zu sehn, Dann spräch' ich, wieder hab ich Augen! |
Alter Mann: | Wer da? |
Edgar: | (Für sich.) Gott, wer darf sagen: schlimmer kann's nicht werden? 's ist schlimmer nun als je. |
Alter Mann: | Der tolle Thoms! |
Edgar: | (Für sich.) Und kann noch schlimmer gehn. 's ist nicht das Schlimmste, Solang man sagen kann: dies ist das Schlimmste. |
Alter Mann: | Wo willst du hin, Gesell? |
Gloster: | Ist er ein Betller? |
Alter Mann: | Ein Toller und ein Bettler. |
Gloster: | Er hat Vernuft noch, sonst könnt' er nicht betteln: Im letzten Nachtsturm sah ich solchen Wicht, Und für 'nen Wurm mußt' ich den Menschen halten. Da kam mein Sohn mir ins Gemüt, und doch War mein Gemüt ihm damals kaum befreundet. Seitdem erfuhr ich mehr. Was Fliegen sind Den müß'gen Knaben, das sind wir den Göttern; Sie töten uns zum Spaß. |
Edgar: | (Für sich.) Ist mir das möglich? Ein schlecht Gewerb', beim Gram den Narren spielen; Man ärgert sich und andre. (Laut.) Grüß' euch Gott! |
Gloster: | Ist das der nackte Bursch? |
Alter Mann: | Ja, gnäd'ger Herr. |
Gloster: | Dann geh, mein Freund. Willst du uns wieder treffen, Ein, zwei, drei Meilen weiter auf der Straße Nach Dover zu, so tut's aus alter Liebe Und bring 'ne Hülle für die nackte Seele. Er soll mich führen. |
Alter Mann: | Ach! er ist ja toll! |
Gloster: | Ein Fluch der Zeit, daß Tolle Blinde führen! Tu, was ich bat, oder auch, was du willst. Vor allem geh. |
Alter Mann: | Den besten Anzug hol ich, den ich habe, Entstehe draus, was mag. |
Er geht ab. | |
Gloster: | Hör, nackter Bursch! |
Edgar: | Der arme Thoms friert. (Für sich.) Ich halte mich nicht länger! |
Gloster: | Komm her, Gesell! |
Edgar: | (Für sich.) Und doch, ich muß. (Laut.) Gott schütz' die lieben Augen dir, sie bluten. |
Gloster: | Weißt du den Weg nach Dover? |
Edgar: | Steg' und Hecken, Fahrweg und Fußpfad. Der arme Thoms ist um seine gesunden Sinne gekommen. Gott schütze dich, du gutes Menschenkind, vorm bösen Feind! Fünf Teufel waren zugleich im armen Thoms: der Geist der Luft, Obidicut; Hoptanz, der Fürst der Stummheit, Mahu, des Stehlens; Modu, des Mords; und Flibbertigibbett, der Grimassenteufel, der seitdem in die Zofen und Stubenmädchen gefahren ist. Gott helfe dir, Herr! |
Gloster: | Hier, nimm die Börse, du, den der Zorn des Himmels Zu jedem Fluch gebeugt! Daß ich im Elend, Mag dich beglückter machen. - So ist's recht, ihr Götter! Laßt uns stets den üpp'gen, wollusttrunknen Mann, Der eurer Satzung trotzt, der nicht will sehen, Weil er nicht fühlt, schnell eure Macht empfinden. Verteilung tilgte dann das Übermaß, Und jeder hätte genug. Sag, kennst Du Dover? |
Edgar: | Ja, Herr! |
Gloster: | Dort ist ein Fels, des hohe steile Klippe Furchtbar hinabschaut in die jähe Tiefe. Bring mich nur hin an seinen letzten Rand; Und lindern will ich deines Elends Bürde Mit einem Kleinod. Von dem Ort bedarf Ich keines Führers mehr. |
Edgar: | Gib mir den Arm, Thoms will dich führen. |
Sie gehen ab. |
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