K Ö N I G L E A R | Inhalt | Personenübersicht | Akt IV, Szene III |
Akt IV, Szene II |
|
Schloß des Herzogs von Albanien. | |
Es treten auf Goneril und Edmund, von der andern Seite der Haushofmeister. |
|
Goneril: | Willkommen, Mylord! mich wundert, daß mein sanfter Mann Uns nicht entgegenkam. - Wo ist dein Herr? |
Haushofmeister: | Drin, gnäd'ge Frau; doch ganz und gar verändert. Ich sagt' ihm von dem Heer, das jüngst gelandet, Da lächelt er; ich sagt' ihm, daß Ihr kämt; Er rief: Nur schlimmer! Als ich drauf berichtet Von Glosters Hochverrat und seines Sohnes Getreuem Dienst, da schalt er mich 'nen Dummkopf Und sprach, daß ich verkehrt die Sache nähme. Was ihm mißfallen sollte, scheint ihm lieb, Was ihm gefallen, leid. |
Goneril: | (Zu Edmund.) Dann geht nicht weiter; 's ist die verzagte Feigheit seines Geists, Die nichts zu unternehmen wagt. Kein Unrecht rührt ihn, Soll er die Spitze bieten. Unser Wunsch Von unterwegs kann in Erfüllung gehn. Eilt denn zurück zu Cornwall, Edmund. Ich muß hier Waffen wechseln und die Kunkel Dem Manne geben. Dieser treue Diener Soll unser Bote sein; bald hört Ihr wohl, Wenn Ihr zu Eurem Vorteil wagen wollt, Was Eure Dame wünscht. Tragt dies; kein Wort. Neigt Euer Haupt: der Kuß, dürft' er nur reden, Erhöbe dir den Mut in alle Lüfte. Versteh mich und leb wohl. |
Edmund: | Dein in den Reihn des Todes. |
Er geht ab. | |
Goneril: | Mein teurer Gloster! - O welch ein Abstand zwischen Mann und Mann! Ja dir gebührt des Weibes Gunst; mein Narr Besitzt mich wider Recht. |
Haushofmeister: | Der Herzog, gnäd'ge Frau! |
Haushofmeister geht ab. - Albanien tritt auf. | |
Goneril: | Sonst war ich doch des Pfeifens wert! |
Albanien: | O Goneril, Du bist des Staubs nicht wert, den dir der Wind Ins Antlitz weht. Ich fürchte dein Gemüt. Ein Wesen, das verachtet seinen Stamm, Kann nimmer in sich selbst gefestigt sein. Sie, die vom mütterlichen Stamm sich löst Und selber abzweigt, muß durchaus verwelken Und Todeswerzeug sein. |
Goneril: | Nicht mehr, der Text ist albern. |
Albanien: | Weisheit und Tugend scheint dem Schlechten schlecht; Schmutz riecht sich selbst nur gut. Was tatet ihr? Tiger, nicht Töchter, was habt ihr verübt! Ein Vater und ein gnadenreicher Greis, Den wohl der zott'ge Bär in Ehrfurcht leckte, O Schmach! O Schandtat! fiel durch euch in Wahnsinn! Und litt mein edler Bruder solche Tat, Ein Mann, ein Fürst, der ihm so viel verdankt? Schickt nicht der Himmel sichtbar seine Geister Alsbald herab, zu zügeln diese Greuel? Muß Menschheit an sich selbst zum Raubtier werden, Zum Ungeheuer der Tiefe? |
Goneril: | Milchherziger Mann! Der Wangen hat für Schläge, ein Haupt für Schimpf, Dem nicht ein Auge ward, zu unterscheiden, Was Ehre sei, was Kränkung; der nicht weiß, Daß Toren nur den Schuft bedauern, der Bestraft ward, eh' er fehlt. - Was schweigt die Trommel? Frankreichs Panier weht hier im stillen Land; Mit stolzem Helmbusch droht ein Mörder schon, Und du, ein Tugendnarr, bleibst still und stöhnst: "Ach, warum tut er das?" |
Albanien: | Schau auf dich, Teufel; Die eigne Häßlichkeit ist nicht am Satan So graunvoll wie am Weibe. |
Goneril: | Blöder Tor! |
Albanien: | Schmach dir, entstellt, verwandelt Wesen, mach Dein Antlitz nicht zum Scheusal! Ziemte mir's, Daß diese Hand gehorchte meinem Blut, Sie möchte dich zereißen und dir trennen Fleisch und Gebein! Wie sehr du Teufel bist, Die Weibsgestalt beschützt dich. |
Goneril: | Ei, welche Mannheit nun! |
Ein Bote tritt auf. | |
Albanien: | Was bringst du Neues? |
Bote: | O gnäd'ger Herr, tot ist der Herzog Cornwall; Ihn schlug sen Knecht, als er ausreißen wollte Graf Glosters zweites Auge. |
Albanien: | Glosters Augen? |
Bote: | Ein Knecht, den er erzog, gereizt von Mitleid, Die Tat zu hindern, zückte seinen Degen Auf seinen großen Herrn, der, grob ergrimmt, Ihn rasch mit andrer Hilfe niederstieß. Doch traf ihn schon der Todesstreich, der jetzt Ihn nachgeholt. |
Albanien: | Das zeigt, ihr waltet droben, Ihr Richter, die so schnell der Erde Freveln Die Rache senden. Doch, o armer Gloster, Verlor er beide Augen? |
Bote: | Beide, Herr! Der Brief, Mylady, fordert schnelle Antwort, Er kommt von Eurer Schwester. |
Goneril: | (Für sich.) Halb gefällt's mir. Doch, da sie Witwe und bei ihr mein Gloster, Könnt' all der luftg'ge Bau zusammenstürzen Auf mein verhaßtes Leben. Andrerseits: Die Nachricht ist gar nicht so schlimm. Ich will sie lesen und ihr Antwort senden. |
Sie geht ab. | |
Albanien: | Wo war mein Sohn, als sie ihn blendeten? |
Bote: | Er kam mit Eurer Gattin. |
Albanien: | Er ist nicht hier. |
Bote: | Mein gnäd'ger Herr, ich traf ihn auf dem Rückweg. |
Albanien: | Weiß er die Greueltat? |
Bote: | Ja, gnäd'ger Herr! Er war's, der ihn verriet Und den Palast vorsätzlich mied, der Strafe So freiern Lauf zu lassen. |
Albanien: | Ich lebe, Gloster, Die Treu', die du dem König zeigst, zu lohnen Und dein Gesicht zu rächen! - Folg mir, Freund, Und sag mir, was du sonst noch weißt. |
Sie gehen ab. |
hansblank.net | zum Seitenanfang |