H A M L E T | Inhalt | Personenübersicht | Akt III, Szene III |
Akt III, Szene II |
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Eine Halle im Scloß. | |
Hamlet und einige Schauspieler treten auf. |
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Hamlet: | Sprecht die Rede - ich bitt' Euch - wie ich sie Euch vortrug, mit leichter Zunge; wenn es Euch aber vom Munde geht, wie manchem unserer Schauspieler, so ließ ich einen Marktschreier ebenso gern meine Verse sprechen. Auch sägt mir nicht die Luft zu oft mit Euren Händen, zum Beispiel so, sondern macht es gnädig; denn im reißendsten Strom, im Sturm, und - ich möchte sagen - im Wirbelwind Eurer Leidenschaft müßt Ihr eine Mäßigung erlangen und darzustellen wissen, die den wahren Reiz verleiht. Ach, es beleidigt mich in der Seele, so einen plumpen, perückenköpfigen Burschen zu hören, wie er eine Leidenschaft zerfetzt, in lauter Srücke zerreißt und die Ohren der Parterrre-Gründlinge spaltet, welche meistens nur an Pantomime und Lärm Interesse nehmen. Peitschen möcht' ich einen solchen Burschen, der es dem Termagant zuvortut und den Herodes überherodest; ich bitt' Euch, vermeidet das. |
1. Schauspieler: | Ich stehe Eurer Hoheit dafür. |
Hamlet: | Aber seid auch nicht zu zahm; laßt Eure eigne, freie Ansicht Euer Hofmeister sein; paßt das Spiel den Worten, die Worte der Handlung an, mit besonderer Berücksichtigung dessen, daß Ihr das Maß der Natur nicht überschreitet; denn Übertreibung jedes Dinges liegt der Absicht des Schauspiels fern, dessen Zweck sowohl früher wie heute war und ist, sich als ein Spiegel der Natur zu erweisen; der Tugend ihre eigenen Züge, dem Laster das eingene Bild und dem lebenden Volke seine Gestaltung, seine Kopie zu zeigen. Dies überschreiten, oder unbedachtsam sich davon entfernen, - wenn schon es des Laien Lachen erregt - kann den Gebildeten nur beleidigen; eines solchen beifälliges Urteil muß Euch ein ganzes Theater voll der Übrigen erwiegen. O, ich habe Schauspieler, die ich von anderen preisen und ganz gewaltig gepriesen hörte, gar nicht zu sagen, jammervoll spielen sehn, die weder eine christliche Aussprache noch den Gang eines Christen, Helden oder eines Menschen überhaupt hatten, die sich brüsteten und brüllten, daß ich glaubte, einige Handlanger der Natur hätten die Kerle fabriziert und nicht recht zustande gebracht, so gräßlich ahmten sie den Menschen nach. |
1. Schauspieler: | Ich hoffe, wir haben das so ziemlich bei uns abgestellt. |
Hamlet: | O, stellt es ganz und gar ab. Und laßt diejenigen, die den Hanswurst bei Euch spielen, nichts weiter sprechen, als was für sie geschrieben ist; denn da gibt es solche, die sich selbst belachen, um einige abgeschmackte Zuschauer zum Mitlachen zu bewegen; obschon sie zur selben Zeit auf irgendeinen notwendigen Zug des Stücks zu achten hätten: Das ist schändlich; und der Narr, der sich dessen bedient, zeigt einen bejammernswerten Ehrgeiz. Geht, macht Euch ferig. |
Schauspieler ab. Polonius, Guildenstern und Rosenkranz treten auf. |
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Wie nun, mein Herr? Will der König dem Schauspiel beiwohnen? | |
Polonius: | Die Königin dazu, und das sogleich. |
Hamlet: | Gebiete den Schauspielern, sich zu eilen. |
Polonius ab. | |
Wollt Ihr zwei deren Eil nicht unterstützen? | |
Beide: | Ja, mein Prinz |
Guildenstern und Rosenkranz ab. | |
Hamlet: | Was, wie - Horatio! |
Horatio tritt auf. | |
Horatio: | Mein teurer Prinz. |
Hamlet: | Nein, glaube nicht, ich schmeichle, Denn welchen Vorteil dürft' ich von Dir hoffen, Der Du nur Geist statt Revenüen hast Für Brot und Kleid? - Wozu dem Armen schmeicheln? Leck abgeschmackten Glanz die Honigzunge, Und krümme die Gelenke seiner Knie, Wo ein Profit dem Schmeicheln lohnet. Hörst Du? Seit meine Seel' ist Herrin ihrer Wahl, Und ihr Geschmack die Menschen scheiden lernte, Erkor sie Dich für sich; Du warst wie einer, Der alles duldend, dennoch nichts geduldet, Ein Mann der stets Fortunas Lieb' und Haß Mit gleichem Dank empfing. Wohl dem, deß Phlegma Mit heißem Blute ist so wohl gemischt, Daß in Fortunas Hand er nicht die Pfeife, Worauf sie nach Gefallen greift. Zeig mir Den Mann, der keiner Leidenschaften Sklav', In meines Herzen Herz will ich ihn tragen Wie Dich. Doch schon zu viel, zu viel davon! Schauspiel ist noch heut abend vor dem König, Drin eine Szene ganz dem Vorgang gleicht, Den ich vom Tod des Vaters Dir erzählte; Ich bitte Dich, wenn jene Szene spielt, Mit allem Kraftaufwand der Seele, merke Auf meinem Ohm, wenn die verhehlte Schuld An einer Stelle sich nicht selbst verrät, Ist's ein verdammter Geist, den wir gesehn, Und meine Phantasien sind schwärzer noch Als Vulkans Ausstoß. Gib wohl acht auf ihn, Ich will sein Antlitz schon ins Auge fassen, Daß unser beider Urteil wir vereinen, Erwägend sein Benehmen. |
Horatio: | Gut, mein Prinz. Wenn er was stiehlt, indes das Schauspiel spielt, Und unentdeckt entkommt, zahl' ich den Diebstahl. |
Hamlet: | Man kommt zum Schauspiel; ich muß müßig gehn; - verschafft Euch einen PLatz. |
Dänischer Marsch. Ein Tusch. König, Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Guildenstern und andere treten auf. | |
König: | Wie lebt unser Vetter Hamlet? |
Hamlet: | In der Tat vortrefflich, von Chamäleonskost; ich genieße mit Versprechungen vollgepfropfte Luft. |
König: | Ich habe nichts gemein mit dieser Antwort, Hamlet, diese Worte gehören nicht mir. |
Hamlet: | Noch mir! (zu Polonius) Mein Herr, Ihr spieltet einmal auf der Universität, sagtet Ihr nicht? |
Polonius: | Das tat ich, mein Prinz, und galt für einen guten Schauspieler. |
Hamlet: | Und was stelltet Ihr dar? |
Polonius: | Ich gab den Julius Cäsar, ich ward auf dem Kapitol ermordet; Brutus tötete mich. |
Hamlet: | Es war ein brutaler Streich von ihm, einen so kapitalen Einfaltspinsel zu töten. Sind die Schauspieler fertig? |
Rosenkranz: | Ja, mein Prinz, sie stehen zu Eurem Befehl. |
Königin: | Komm hierher, mein teurer Hamlet, setz Dich zu mir. - |
Hamlet: | Nein, liebe Mutter, die Anziehungskraft des Metalles hier ist stärker. |
Polonius: | (zum König) Hoho, merkt Ihr was? |
Hamlet: | Fräulein, soll ich mich in Euren Schoß legen? (Sich zu Ophelias Füßen legend.) |
Ophelia: | Nein, mein Prinz. |
Hamlet: | Ich meine, meinen Kopf auf Euren Schoß? |
Ophelia: | Ja, mein Prinz. |
Hamlet: | Denkt Ihr, ich beabsichtige Bauernspäße? |
Ophelia: | Ich denke nichts, mein Prinz. |
Hamlet: | Schöner Gedanke, zwischen den Lenden eines Mädchens zu liegen. |
Ophelia: | Was soll das, mein Prinz? |
Hamlet: | Nichts. |
Ophelia: | Ihr seid ausgelassen, mein Prinz. |
Hamlet: | Wer, ich? |
Ophelia: | Ja, mein Prinz. |
Hamlet: | O, Euer einziger Spaßmacher. Was kann ein Mensch anderes tun, als lustig sein? Denn seht nur, wie zärtlich meine Mutter blickt, und mein Vater starb vor zwei Stunden. |
Ophelia: | Nein, vor zwei mal zwei Monden, mein Prinz. |
Hamlet: | So lange? Ei, da mag der Teufel schwarz tragen, ich mag kein Trauerkleid mehr haben. O Himmel! Schon seit zwei Monden tot und noch nicht vergessen? Da darf man hoffen, daß die Erinnerung an einen großen Mann sein Leben um ein halbes Jahr überlebt. Aber bei unsrer lieben Frau, dann muß er Kirchen bauen, sonst duldet er's, daß seiner nicht gedacht wird wie des Steckenpferdes, dessen Grabschrift ist: "Denn o, denn o, das Steckenpferd ist vergessen." |
Trompetenstoß. Die Pantomime folgt. Ein König und eine Königin treten auf, sehr verliebt; die Königin umarmt ihn und er sie. Sie kniet und macht beteuernde Gebärden vor ihm. Er hebt sie auf, und neigt sein Haupt auf ihren Nacken; dann legt er sich auf eine Blumenbank nieder; sie verläßt ihn, als sie ihn schlafen sieht. Darauf erscheint ein Bursche, nimmt von jenem seine Krone ab, küßt sie, flößt Gift in des Königs Ohr, und entfernt sich. Die Königin kommt zurück, findet den König tot und macht leidenschaftliche Bewegungen. Der Vergifter, mit zwei oder drei stummen Personen, kommt wieder, und scheint zu wehklagen. Der Leichnam wird fortgeschafft. Der Vergifter wirbt mit Geschenken um die Königin; sie scheint ein Weilchen spröd und abgeneigt, doch schließlich nimmt sie seine Liebe an. Sie treten ab. |
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Ophelia: | Was bedeutet das, mein Prinz? |
Hamlet: | Wahrlich, das ist Diebeshokuspokus: Es bedeutet Unglück. |
Ophelia: | Vermutlich zeigt uns diese Pantomime den Inhalt des Stückes an. |
Der Prolog tritt auf. | |
Hamlet: | Durch diesen Burschen werden wir erfahren, daß die Schauspieler nichts verschweigen können; sie wollen alles erzählen. |
Ophelia: | Wird er uns die Bedeutung dieser Pantomime sagen? |
Hamlet: | Ja, so wie jeder Gebärde, die Ihr ihm zeigen wollt. Schämt Ihr Euch nicht, sie zu zeigen, schämt er sich nicht zu sagen, was sie bedeutet? |
Ophelia: | Ihr seid schlüpfrig, Ihr seid schlüpfrig; ich werd' auf die Vorstellung achten. |
Prolog: | Für unser Spiel - voll schwerer Schuld - Uns anempfehlend Ihrer Huld, Erflehn beim Hören wir Geduld. |
Hamlet: | Ist das ein Prolog, oder der Vers eines Ringes? |
Ophelia: | Es ist kurz, mein Prinz. |
Hamlet: | Wie Weiberliebe. |
Ein König und eine Königin treten auf. | |
Schauspieler- könig: |
Schon dreißigmal zog Phöbus' Wagengleis Ums Reich Neptuns und Tellus' einen Kreis, Und dreißig Dutzend Mond', mit fremden Strahl, Entflohn der Erde zwölfmal dreißigmal, Seit Liebe unser Herz und Hymen unsre Hand Vereint auf ewig durch ein heilig Band. |
O, kehre Sonn' und Mond noch manchen Tag Zurück, eh' unsre Liebe schwinden mag, Doch, weh mir, Ihr seid so schwach zur Zeit, So fern von der gewohnten Zärtlichkeit, Daß Kummer mich erfüllt. Doch eben der, Er darf, o Herr, Dich schmerzen nimmermehr; Ein Weib befürchtet dann nur, wenn es liebt, Und Weibes Furcht und Lieb' entsprechen sich, Sie fehlen oder sind gewaltiglich. Habt den Beweis Ihr meiner Liebe nicht? Und dieser Liebe meine Furcht entspricht, Der kleinste Zweifel macht schon Herzeleid, Und mit der Furcht die Liebe stets gedeiht. |
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Ja, Teure, scheiden muß ich bald von Dir, Die Kräfte weigern den Gehorsam mir; Du lebe fort in dieser schönen Welt Geehrt, geliebt; - und wenn sich Dir gesellt Statt Deines Gatten - |
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Schauspieler- königin: |
O, halt ein, halt ein! Verrat nur könnte solche Liebe sein; - Ich sei verflucht, sollt' ich aufs neue frein, Des ersten Gatten Mörder müßt' ich sein. |
Hamlet: | Das ist Wermut. |
Schauspieler- königin: |
Der Grund, der eine zweite Heirat schließt, Stets aus Gewinnsucht, nie aus Liebe sprießt, Den toten Gatten töt' ich noch einmal, Küßt mich im Bett ein zweiter Ehgemahl. |
Schauspieler- könig: |
Du meinst es ehrlich - glaub' ich - was Du sprichst, Wie leicht jedoch, daß Du den Vorsatz brichst, Denn ein Entschluß ist der Erinnrung Sklav', In Leidenschaft erzeugt, doch schwach und schlaff. Jetzt hängt die Frucht am Baum noch jung und grün, Reif - fällt sie ab - eh' Du geschüttelt ihn. Notwendig ist's, daß man durchaus vergißt, Zu geben sich, was man sich schuldig ist. Der Vorsatz, den die Leidenschaft gefaßt Auch mit der Leidenschaft erstirbt, erblaßt. Wenn Heftigkeit den Schmerz, die Freud' gebar, Vernichtet sie das eigne Kinderpaar, Wo Freud' und Schmerz voll Leidenschaftlichkeit, Ist Gram von Lust und Lust von Gram nicht weit. Nicht ewig ist die Welt; noch dünkt's mich fremd, Wenn Freud' und Leid die Liebe mehrt und hemmt, Denn ob des Schicksals Rad die Liebe treibt, Ob umgekehrt - uns stets Geheimnis bleibt. Der Günstling - wenn der Große sinkt - entweicht, Freund wird der Feind dem Armen, wenn er steigt; dem Glück war stets die Liebe zugekehrt, Wer nichts bedarf, der Freunde nie entbehrt, Doch wer in Not den falschen Freund gebraucht, Der sieht die Freundschaft augenblicks verraucht. Doch was ich angefangen, end' ich's nun: - Solch Gegensatz herrscht zwischen Wolln und Tun, Daß unsre Absicht ewig wird zerstört; Uns - der Gedanke, nicht die Tat gehört. Jetzt willst Du einen zweiten Gatten nicht, Doch mit des ersten Herz Dein Wille bricht. |
Schauspieler- königin: |
Weich Erde unter mir, stirb Himmelslicht, Mich freun und ruhn will Tag und Nacht ich nicht, Mein Hoffen kehre zur Verzweiflung sich, Einsiedlerkost im Kerker nähre mich, Und alles, was der Freude Antlitz bleicht, Treff jeden Wunsch, daß er vernichtet schweigt, Und hier und dort verfolg' mich ew'ge Qual, Werd' ich als Witwe wieder ein Gemahl. |
Hamlet: | (zu Ophelia) Wenn sie's nun brechen sollte - |
Schauspieler- könig: |
Ein ernster Schwur. Laß mich allein, mein Stern; Mein Geist erschlafft, und ich betröge gern Den langen Tag durch Schlaf. (Schläft.) |
Schauspieler- königin: |
Schlaf ein, schlaf ein! Und möge Mißtraun ewig fern uns sein. |
Schauspielerkönigin ab. | |
Hamlet: | Mutter, wie gefällt Euch das Schauspiel? |
Königin: | Die Dame, mir scheint's, beteuert zuviel. |
Hamlet: | O, aber sie wird ihr Wort halten. |
König: | Kennt Ihr das Stück? - Kommt ein Verbrechen drin vor? |
Hamlet: | Nein, nein, sie spaßen nur, vergiften im Spaß; kein Verbrechen in der Welt. |
König: | Wie benennt Ihr das Schauspiel? |
Hamlet: | Die Mausefalle, und zwar bildlich. Das Stück ist das Bild eines zu Vienna geschehnen Mordes: Gonzago ist des Herzogs Name; sein Weib Babtista. Ihr werdet gleich sehen, es ist ein Bubenstück im Werk. Doch was tut's? Ihre Majestät und uns, die wir reinen Herzens sind, berührt es nicht. Wer sich getroffen fühlt, mach' ein langes Gesicht; uns drückt der Schuh nicht. |
Lucianus tritt auf. | |
Dies ist ein gewisser Lucianus, ein Neffe des Königs. | |
Ophelia: | Ihr ersetzt uns den Chorus, mein Prinz. |
Hamlet: | Ich würde zwischen Euch und Eurem Liebsten dolmetschen, könnt' ich die Puppen tändeln sehn. |
Ophelia: | Ihr seid scharf, mein Prinz, ihr seid scharf. |
Hamlet: | Ihr würdet ächzen müssen, eh' Ihr mich stumpf machtet. |
Ophelia: | Immer besser und schlechter. |
Hamlet: | So Ihr Eure Gatten mißbraucht. Fang an, Mörder; laß deine verdammten Fratzen und beginne: --- --- des Raben Krächzen, Es brüllt um Rache. |
Lucianus: | Herz schwarz, Hand - gewandt, Kraft im Saft, Zeit - gescheit, Umstände günstig, jeder Späher weit, Du Trank, aus Kraut um Mitternacht gesucht, Dreimal von Hekate berührt, verflucht, Voll Zauberkraft und Schreckenseigenschaft. (Gießt das Gift in des Schläfers Ohren.) |
Hamlet: | Er vergiftet ihn im Garten um sein Land. Sein Nam' ist Gonzago; die Geschichte ist ein Faktum und in sehr schönem Italienisch geschrieben. Sogleich werdet Ihr sehn, wie der Mörder die Liebe von Gonzagos Weib gewinnt. |
Ophelia: | Der König steht auf. |
Hamlet: | Wie! Erschreckt durch falschen Feuerlärm! |
Königin: | Wie befindet sich mein Herr? |
Polonius: | Brecht das Schauspiel ab. |
König: | Gebt mir Licht; - hinfort! |
Alle ab außer Hamlet und Horatio. | |
Hamlet: | Zwei Hirsche liefen über Feld; Der Wunde weint, der Heile lacht, Der Heile schläft, der Wunde wacht, - Das ist der Lauf der Welt. Freund! Würde nicht dies und ein Federwald - wenn den Rest meines Glückes der Teufel holte - nebst zwei provencialischen Rosen auf meinen schmutzigen Schuhen, mich zum würdigen Mitglied einer Komödiantenbande machen? |
Horatio: | Zur Hälfte. |
Hamlet: | Nein, ganz und gar. Du weißt es, Damon, der geziert Dies Reich, ein Zeus ihm war, Er ward geraubt, und nun regiert Ein rechter, echter - Pfau. |
Horatio: | Ihr hättet reimen können. |
Hamlet: | O, guter Horatio, ich wette tausend Pferde auf des Geistes Wort. Beobachtet'st Du? |
Horatio: | Sehr scharf, mein Prinz. |
Hamlet: | Als vom Vergiften die Rede war? |
Horatio: | Ich habe sehr genau auf ihn geachtet. |
Hamlet: | Ah, ha! - Komm. - Musik; komm - die Flötenspieler. - Denn wenn dem König mißfiel unser Spiel, Warum - vielleicht, daß es ihm nicht gefiel. |
Rosenkranz und Guildenstern treten auf. | |
Kommt- Musik. | |
Guildenstern: | Gestattet mir, mein teurer Prinz, ein Wort zu Euch. |
Hamlet: | Herr, eine ganze Geschichte. |
Guildenstern: | Der König, Prinz - |
Hamlet: | Nun, Herr, was? |
Guildenstern: | Ist in seinem Gemach sehr schlecht gelaunt. |
Hamlet: | Vom Trinken, Herr? |
Guildenstern: | Nein, mein Prinz, von Galle. |
Hamlet: | Eure Weisheit würde sich mehr bewährt haben, hättet Ihr das dem Arzte angezeigt; denn wollt' ich ihm zu purgieren geben, er würde vielleicht noch mehr in Zorn geraten. |
Guildenstern: | Mein teurer Prinz, bringt mehr Ordnung in Eure Rede und springt nicht so wild von meiner Angelegenheit ab. |
Hamlet: | Ich bin zahm, Herr, sprecht. |
Guildenstern: | Die Königin, Eure Mutter, schickt mich in größter Gemütsbewegung zu Euch. |
Hamlet: | Ihr seid willkommen. |
Guildenstern: | Nein, mein teurer Prinz, die Artigkeit ist nicht am rechten Ort. Beliebt es Euch, mir eine vernünftige Antwort zu geben, werd' ich mich des Auftrags Eurer Mutter entledigen; wenn nicht, wird Eure Verzeihung und meine Rückkehr das Geschäft beenden. |
Hamlet: | Herr, ich kann nicht. |
Guildenstern: | Was, mein Prinz? |
Hamlet: | Euch eine vernünftige Antwort erteilen, aber solche Antwort, Herr, als ich Euch geben kann, steht zu Eurem Befehl, oder richtiger - wie Ihr sagt - zu dem meiner Mutter; drum nichts weiter, als was zur Sache gehört. Meine Mutter, sagt Ihr - |
Rosenkranz: | Ja, sie sagt: Euer Betragen erfülle sie mit Staunen und Bewunderung. |
Hamlet: | O, wunderbarer Sohn, der seine Mutter so in Erstaunen setzen kann. aber folgt dieser mütterlichen Bewunderung nicht etwas auf der Ferse? Sprecht! |
Rosenkranz: | Sie wünscht in ihrem Gemach mit Euch zu sprechen, bevor Ihr zu Bett geht. |
Hamlet: | Wir werden gehorchen und wäre sie zehnmal unsre Mutter. Habt Ihr mir noch Weiteres zu überbringen? |
Rosenkranz: | Mein Prinz, Ihr liebtet mich einst. |
Hamlet: | Und lieb' Euch noch, bei diesen meinen Rupfen und Stehlern! |
Rosenkranz: | Mein bester Prinz, was ist die Ursach Eures Mißmuts? Wahrlich, Ihr verschließt Eurem eignen Heil die Tür, wenn Ihr Euren Freunden Euren Gram verschweigt. |
Hamlet: | Herr, mir fehlt Beförderung. |
Rosenkranz: | Wie kann das sein, da Ihr des Königs Stimme selbst zur Nachfolge in Dänemark habt? |
Hamlet: | Ja, Feund, aber - "derweil das Gras wächst" - das Sprichwort ist etwas schimmlig. |
Flötensieler treten auf. | |
O, die Flöten: Laßt mich eine sehn. - So, nun entfernt Euch wieder. - Warum schleicht Ihr um mich her, mir den Wind abzugewinnen, wie wenn Ihr mich ins Garn locken wolltet? | |
Guildenstern: | O, mein Prinz, nur die Pflicht macht mich kühn und meine Liebe ungesittet. |
Hamlet: | Das versteh' ich nicht recht. Wollt Ihr auf dieser Pfeife spielen? |
Guildenstern: | Mein Prinz, ich kann nicht. |
Hamlet: | Ich bitt' Euch. |
Guildenstern: | Glaubt mir, ich kann nicht. |
Hamlet: | Ich ersuch' Euch dringend. |
Guildenstern: | Mein Prinz, ich weiß nicht darauf zu greifen. |
Hamlet: | Es ist so leicht wie naheliegend; regiert diese Löcher mit Euren Fingern und Daumen, blast mit dem Munde darauf, und sie wird eine vortreffliche Musik zum Besten geben. Seht, dies sind die Klappen! |
Guildenstern: | Aber ich kann dieselben zu keinen harmonischen Tönen zwingen; ich besitze die Geschicklichkeit nicht. |
Hamlet: | Seht Ihr nun, zu welchem elenden Dinge Ihr mich machen wollt? Ihr möchtet auf mir spielen: möchtet scheinen, die Saiten meiner Seele zu kennen; möchtet jedes Geheimnis aus meinem Herzen reißen, auf mir spielen, von der tiefsten Note bis zur höchsten Höhe meines Stimmenumfangs; und obschon hier in diesem kleinen Instrument viel Wohlklang, eine vortreffliche Stimme wohnt, könnt Ihr es doch nicht sprechen machen. Mord-Element, glaubt Ihr, ich bin leichter als eine Pfeife zu spielen? Nennt mir, welch ein Instrument Ihr wollt - Ihr könnt mich verstimmen, nicht auf mir spielen. |
Polonius tritt auf. | |
Gott mit Euch, Herr! | |
Polonius: | Mein Prinz, die Königin wünscht mit Euch zu sprechen, und zwar sogleich. |
Hamlet: | Sehr Ihr jene Wolke dort, fast in Gestalt eines Kamels? |
Polonius: | Bei Gott, sie ist wahrlich einem Kamele gleich. |
Hamlet: | Mir scheint's, sie gleicht einem Wiesel. |
Polonius: | Sie hat einen Rücken wie ein Wiesel. |
Hamlet: | Oder wie ein Walfisch? |
Polonius: | Ganz wie ein Walfisch. |
Hamlet: | Ich werde sogleich zumeiner Mutter kommen. - Sie närren mich bis zum Gipfel meiner Geduld. Ich werde sogleich kommen. |
Polonius: | Ich werd' es berichten. |
Polonius ab. | |
Hamlet: | Sogleich - ist leicht gesagt. - Verlaßt mich, Freunde. |
Rosenkranz, Guildenstern, Horatio ab. | |
Jetzt ist so recht die Geisterzeit der Nacht, Kirchhöfe gähnen, und die Hölle atmet Pest in die Welt; - jetzt heißes Blut getrunken, Und Dinge tät' ich, daß der bittre Tag Beim Anblick beben müßt'. Doch jetzt zur Mutter. Verleugne die Natur nicht - Herz - laß nimmer Des Nero Seele dir zum Busen dringen, Laß grausam mich, nicht unnatürlich sein. In Dolchen will ich sprechen - keinen brauchen, Die Zunge soll des Herzens Heuchler sein: Mein Wort mag Schimpf und Schande ihr bereiten. Nie soll's mein Herz besiegeln und begleiten. |
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Hamlet ab. |
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