M A C B E T H | Inhalt | Zu dieser Ausgabe | Personenübersicht | Akt III, Szene V |
Akt III, Szene IV |
|
Prunksaal im Schloss, gedeckte Tafel. | |
Es treten auf Mcbeth, Lady Macbeth, Rosse, Lenox, Lords, Gefolge. |
|
Macbeth: | Ihr kennt selbst Euren Rang: nehmt Platz! Willkommen Seid ein für alle Mal! |
Lords: | Dank Euer Hoheit. |
Lady Macbeth: | Sprich ihn für mich zu allen unsern Freunden; Denn herzlich heiß ich alle sie willkommen. |
Der erste Mörder tritt zur Seitentür ein. | |
Macbeth: | Sieh, ihres Herzens dank kommt uns entgegen. Gleich voll sind beide Seiten. Hier will ich Mich in die Mitte setzen. Ungehemmt Sei nun die Lust; gleich soll der Becher kreisen. - |
Geht zur Tür. | |
Auf deiner Stirn ist Blut - | |
Mörder: | So ist es Banquos. |
Macbeth: | Viel besser draußen an dir, als er hier drinnen #46. So ist er abgetan? |
Mörder: | Herr, seine Kehle Ist durchgeschnitten; - das tat ich für ihn. |
Macbeth: | Du bist der beste Kehlabschneider; doch Auch der ist gut, der das für Fleance getan; Warst du's, so hast du deinesgleichen nicht. |
Mörder: | Mein königlicher Herr, Fleance ist entwischt. |
Macbeth: | So bin ich wieder krank; sonst wär ich stark, Gesund wie Marmor, fest wie Fels gegründet, Weit, allgemein, wie Luft und Windeshauch; Doch jetzt bin ich umschränkt, gepfercht, umpfählt, Geklemmt von niederträcht'ger Furcht und Zweifeln. Doch Banquo ist uns sicher? |
Mörder: | Ja, teurer Herr! im Graben liegt er sicher: In seinem Kopfe zwanzig tiefe Wunden, Die kleinst' ein Lebenstod. |
Macbeth: | Nun, dafür Dank! Da liegt Die ausgewachsne Schlange; das entflohne Gewürm ist giftig einst, nach seiner Art; Doch zahnlos jetzt. - Nun mach dich fort; auf morgen Vernehm ich mehr. |
Mörder geht ab. | |
Lady Macbeth: | Mein königlicher Herr, Ihr seid kein heitrer Wirt. Das Fest ist feil, Wird nicht das Mahl durch Freundlichkeit gewürzt, Durch Willkommen erst geschenkt. Man speist am besten Daheim; doch auswärts macht die Höflichkeit Den Wohlgeschmack der Speisen, nüchtern wäre Gesellschaft sonst. |
Macbeth: | Du holde Mahnerin! - Nun, auf die Esslust folg' ein gut Verdauen, Gesundheit beiden! |
Lenox: | Gefällt es Eurer Hoheit sich zu setzen? |
Banquos Geist kommt und setzt sich auf Macbeths Platz. | |
Macbeth: | Beisammen wär uns hier des Landes Adel, Wenn unser Freund nicht, unser Banquo, fehlte; Doch möcht ich lieber ihn unfreundlich schelten, Als eines Unfalls wegen ihn bedauern. |
Rosse: | Da er nicht kommt, verletzt er sein Versprechen. Gefällt's Eu'r Majestät, uns zu beglücken, Indem Ihr Platz in unsrer Mitte nehmt? |
Macbeth: | Die Tafel ist voll. |
Rosse: | Hier ist Platz noch. |
Macbeth: | Wo? |
Rosse: | Hier, teurer König. Was erschreckt Eu'r Hoheit? |
Macbeth: | Wer tat von Euch das? |
Lords: | Was, mein guter Herr? |
Macbeth: | Du kannst nicht sagen, dass ich's tat. Oh, schüttle Nicht deine blut'gen Locken gegen mich. |
Rosse: | Steht auf, ihr Herrn, dem König ist nicht wohl. |
Lady Macbeth: | Bleibt sitzen, Herrn, der König ist oft so, Und war's von Jugend an - oh, steht nicht auf! Schnell geht der Anfall über; augenblicks Ist er dann wohl. Beachtet ihr ihn viel, So reizt ihr ihn und länger wird das Übel. Esst, seht ihn gar nicht an. - Bist du ein Mann? |
Macbeth: | Ja, und ein kühner, der das wagt zu schauen, Wovor der Teufel blass wird. |
Lady Macbeth: | Schönes Zeug! Das sind die wahren Bilder deiner Furcht; Das ist der luft'ge Dolch, der, wie du sagtest, Zu Duncan dich geführt! - Ha! dieses Zucken, Dies Starr'n, Nachäffung wahren Schrecks, sie passten Zu einem Weibermärchen am Kamin, Bestätigt von Großmütterchen. - Oh, schäme dich! Was machst du für Gesichter! denn am Ende Schaust du nur auf 'nen Stuhl. |
Macbeth: | Ich bitt dich, sieh! blick auf! schau an! Was sagst du? - Ha! meinethalb! wenn du kannst nicken, sprich auch. Wenn Grab und Beingewölb' uns wieder schickt, Die wir begruben, sei der Schlund der Geister Uns Totengruft! |
Der Geist geht fort. | |
Lady Macbeth: | Was! ganz entmannt von Torheit! |
Macbeth: | So wahr ich leb, ich sah ihn! |
Lady Macbeth: | O der Schmach! |
Macbeth: | Blut ward auch sonst vergossen, schon vor alters, Eh menschlich Recht den frommen Staat verklärte; Ja, auch seitdem geschah so mancher Mord, Zu schrecklich für das Ohr: da war's Gebrauch, Dass, war das Hirn heraus, der Mann auch starb, Und damit gut. Doch heutzutage stehn sie wieder auf, Mit zwanzig Todeswunden an den Köpfen, Und stoßen uns von unsern Stühlen: Das Ist wohl seltsamer noch als solch ein Mord. |
Lady Macbeth: | Mein König, ihr entzieht euch Euren Freunden. |
Macbeth: | Ha! ich vergaß; - Staunt über mich nicht, meine würd'gen Freunde; Ich hab ein seltsam Übel, das nichts ist Für jene, die mich kennen. Wohlan! Lieb' und Gesundheit trink ich allen, Dann setz ich mich. Ha! Wein her! voll den Becher! |
Der Geist kommt. | |
So trink ich auf das Wohl der ganzen Tafel, Und Banquos, unsers Freunds, den wir vermissen. Wär er doch hier! sein Wohlergehn wie aller Trink ich: Ihm, Euch! |
|
Lords: | Wir danken pflichtergeben. |
Macbeth: | Hinweg! - Aus meinen Augen! - Lass Die Erde dich verbergen! Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt; Du hast kein Anschaun mehr in diesen Augen, Mit denen du so stierst. |
Lady Macbeth: | Nehmt dies, Ihr Herrn, Als was Alltägliches, nichts weiter ist's; Nur das es uns des Abends Lust verdirbt. |
Macbeth: | Was einer wagt, wag ich: Komm du mir nah als zott'ger russ'scher Bär, Geharn'scht Rhinozeros, hyrkan'scher Tiger - Nimm jegliche Gestalt, nur diese nicht -, Nie werden meine Nerven beben. Oder sei lebend wieder; fordre mich In eine Wüst' aufs Schwert; verkriech ich mich Dann zitternd, ruf mich aus als Dirnenpuppe. Hinweg! grässlich Schatten! Unkörperliches Blendwerk, fort! - Ha! so. - |
Geist entweicht. | |
Du nicht mehr da, nun bin ich wieder Mann. - Ich bitte, steht nicht auf. |
|
Lady Macbeth: | Ihr habt die Lust Verscheucht und die Geselligkeit gestört Durch höchst fremdart'ge Grillen. |
Macbeth: | Kann solch Wesen An uns vorüberziehn wie Sommerwolken, Ohn' unser mächtig Staunen? Ihr entfremdet Mich meinem eignen Selbst, bedenk ich jetzt, Dass Ihr anschaut Gesichte solcher Art, Und doch die Röte Eurer Wangen bleibt, Wenn Schreck die meinen bleicht. |
Rosse: | Was für Gesichte? |
Lady Macbeth: | Ich bitt Euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer; Fragen bringt ihn in Wut. Gut Nacht mit eins! Beim Weggehen haltet nicht auf Euren Rang, Geht all' zugleich. |
RLenox: | Wir wünschen Eurer Hoheit Gut Nacht und bessres Wohl. |
Lady Macbeth: | Gut Nacht Euch allen! |
Alle Lords nebst Gefolge gehn ab. | |
Macbeth: | Es fordert Blut, sagt man: Blut fordert Blut. Man sah, dass Fels sich regt' und Bäume sprachen; Auguren #47 haben durch Geheimnisdeutung Von Elstern, Krähn und Dohlen ausgefunden Den tief verborgnen Mörder. - Wie weit ist die Nacht? |
Lady Macbeth: | Im Kampf fast mit dem Tag: ob Nacht, ob Tag. |
Macbeth: | Was sagst du, dass Macduff zu kommen weigert Auf unsre Ladung? |
Lady Macbeth: | Sandtest du nach ihm? |
Macbeth: | Ich hört's von ungefähr; doch will ich senden: Kein einz'ger, in des Haus mir nicht bezahlt Ein Diener lebte. Morgen will ich hin, Und in der Frühe zu den Zauberschwestern #48. Sie sollen mehr mir sagen; denn gespannt Bin ich, das Schlimmst' auf schlimmsten Weg zu Wissen. Zu meinem Vorteil muss sich alles fügen; Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, Dass, wollt ich nun im Waten stillstehn, Rückkehr so schwierig wär, als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand Und muss getan sein, eh noch recht erkannt. |
Lady Macbeth: | Die fehlt die Würze aller Wesen, Schlaf. |
Macbeth: | Zu Bett! - Dass selbst geschaffnes Graun mich quält, Ist Furcht des Neulings, dem die Übung fehlt. - Wahrlich, wir sind zu jung nur. - |
Sie gehen ab. | |
Anmerkungen | |
#46 | than he within: als in ihm; d.h.: als dass Banquo lebt. |
#47 | Augures and understood relations: Prophezeiungen und das Verstehen von Zusammenhängen. |
#48 | Vergl. Anm. #13. |
hansblank.net | zum Seitenanfang |